Bedürfnisorientiertes Hundetraining

 

"Hinter jedem Verhalten steckt eine Emotion - Hinter jeder Emotion ein Bedürfnis"

Wenn wir es also schaffen das Bedürfnis zu erkennen, welches hinter dem (eventuell unerwünschten) Verhalten steckt, dann können wir auch an den Ursachen arbeiten um langfristige Erfolge zu erzielen.
Ständige Korrektur ist dagegen nichts als Symptombehandlung, denn genau das ist das Verhalten: Ein Symptom!

> Warum bedürfnisorientiert?
Erst einmal: Beim bedürfnisorientierten Hundetraining geht es nicht darum, dass der Hund jederzeit tun und lassen kann was er will, auch wenn das vielleicht in dem Moment sein persönliches Bedürfnis ist.
Er soll aber durchaus selber mitdenken und nicht zum reinen Befehlsempfänger degradiert werden.

In den letzten Jahrzehnten hat die Wissenschaft sich umfassend mit dem Thema Hund und Lernverhalten befasst und mit vielen Mythen wie Dominanztheorie und Co aufgeräumt.
Es ist auch mittlerweile erwiesen, dass durch positive Bestätigung Erlerntes langfristiger im Gehirn verankert bleibt, als Dinge, die durch Korrektur und Strafe erlernt wurden.
Dass durch positives Training auch die Mensch-Hund-Beziehung positiv beeinflusst wird sollte eigentlich jedem klar sein.

Auch beim bedürfnisorientierten Hundetraining liegt der Fokus auf der positiven Verstärkung, wir arbeiten mit Markersignalen und verschiedenen Verstärkern - oft auch mit Futter.
Mal ehrlich, egal wie nett ihr euren Chef findet, wer würde seinen Job denn dauerhaft ohne Lohn machen?
Im Gegensatz zum reinen „Kekse werfen“ ist es aber beim bedürfnisorientierten Training durchaus wichtig klare Regeln aufzustellen und auch mal faire Grenzen zu setzen.
Diese geben Hund und Mensch deutlich mehr Sicherheit durch Vorhersehbarkeit in der Situation und sind schlussendlich damit auch wieder positiv für den Hund.
Dass wir dabei auf aversive Methoden, die mit Angst (Schreckreizen)  und / oder Schmerzen einhergehen, verzichten sollte selbstverständlich sein.

Bedürfnisse wollen erfüllt werden, aber natürlich können wir unsere Hunde, wenn das Bedürfnis z.B. das Jagen ist nicht hinter jedem Reh her hetzen lassen. Wir können dem Hund aber auf andere Weise dazu verhelfen sein Bedürfnis zu befriedigen was dazu führt, dass er zufriedener und entspannter ist und dadurch auch weniger „Fehlverhalten“ zeigt.
Dazu müssen wir Menschen aber erst mal lernen ihn zu lesen und das jeweilige Bedürfnis zu erkennen.

Auf der anderen Seite haben auch wir Menschen natürlich Bedürfnisse, die wir berücksichtigen müssen.
Die Fragestellung sollte also nie lauten:
Was soll dein Hund nicht mehr machen?
Sondern vielmehr: Welches Verhalten wünscht du dir in dieser Situation, damit deine Bedürfnisse (nach Ruhe, nach entspannten Spaziergängen, nach Familienfeiern ohne Gebell usw.) erfüllt werden und wie kann dein Hund seine Bedürfnisse, die dem entgegenstehen – ggf. auch an anderer Stelle – ausleben?

Erfüllte Bedürfnisse sorgen immer auch für mehr Entspannung – sowohl beim Hund als auch beim Menschen.
Dabei sollten wir aber immer im Hinterkopf haben, dass wir diejenigen sind, die den Hund, als hochgradig soziales Lebewesen in unsere Welt geholt haben, die leider so gar nicht hundgerecht ist und die er sich freiwillig vermutlich niemals ausgesucht hätte.
Es gilt also einen Weg zu finden auf dem Hund und Mensch entspannt miteinander gehen können.
Und der sieht bei jedem Mensch-Hund-Team anders aus, denn so individuell wie wir und natürlich auch unsere Fellnasen sind, so individuell wird auch der Weg sein, den wir nehmen müssen um zum Ziel zu kommen.

Und wie auch wir gerne unsere eigenen Entscheidungen treffen so empfindet auch der Hund jede Form der Selbstwirksamkeit als immensen Verstärker.
Es müssen also gar nicht immer die Kekse als Belohnung sein.
Lasst euren Hund doch einfach mal entscheiden in welche Richtung ihr an der Weggabelung weiter geht – Keine Angst, er wird deswegen nicht die Weltherrschaft übernehmen wollen ;-)

Wer mehr über die Vielfalt von Verstärkern (Belohnungen) wissen möchte:
All das lernt ihr natürlich in meinem ganzheitlichen Training.

PS: Vielleicht ist euch aufgefallen, dass ich häufig das Wort "Verstärker" synonym zu "Belohnung" benutze.
Lerntheoretisch ist das natürlich nicht ganz korrekt, aber das genau zu differenzieren würde jetzt hier zu weit führen. 
Aber keine Angst, das Thema "Verstärkerprozesse" wird auch immer wieder in meinen Trainingseinheiten auftauchen und ist schlussendlich in der Praxis gar nicht so kompliziert, wie es sich in der Theorie anhört.

> Strafe im bedürfnisorientierten Training?
- Natürlich nicht, werden jetzt viele sagen. Auch viele TrainerkollegInnen betonen immer wieder, dass in jeglicher Form der auf positiver Verstärkung aufgebauten Hundeerziehung nicht mit Strafen gearbeitet wird.
Dazu muss man sich natürlich erst einmal darüber im Klaren sein, was Strafe eigentlich ist.

In der Lerntheorie unterscheiden wir zwischen den vier Quadranten:
Positive Verstärkung, Negative Verstärkung, Positive Bestrafung und Negative Bestrafung
Und schon werden die ersten stutzig werden. Wie kann denn eine Bestrafung positiv sein?

Ersetzen wir jedoch das Positiv durch ein + und das Negativ durch ein - wird die Sache verständlicher:
Positive Verstärkung = Etwas Angenehmes wird zugefügt
Negative Verstärkung = Etwas Unangenehmes wird weg genommen
Positive Bestrafung = Etwas Unangenehmes wird zugefügt
Negative Bestrafung = Etwas Angenehmes wird weg genommen

Fangen wir mit der Positiven Strafe an:
Positive Strafe, dazu gehören natürlich Schmerzen, aber auch Angst unnd Schreckreize (z.B. die berüchtigte Rappeldose oder Wasserflasche) wollen wir tatsächlich in jedem Fall vermeiden.
Diese sind nicht nur unnötig, sondern schaden in der Regel auch deutlich mehr als sie nützen könnten.

Es gibt aber tatsächlich auch im bedürfnisorientierten Training Ansätze, die streng genommen positive Strafe beinhalten.
Gutes Beispiel: Das Medical Training. Hier wird der Hund auch an Stellen angefasst oder sogar kurz fixiert, die er als unangenehm empfindet > Wir sind also lerntheoretisch betrachtet hier schon im Bereich der positiven Strafe.
Natürlich wollen wir den Hund dabei nicht wirklich bestrafen, sondern die Übungen dienen dem Zweck der Gewöhnung. Ein gut aufgebautes Medical Training hilft dem Hund z.B. in stressigen Situationen beim Tierarzt entspannter zu bleiben, oder die nötige Körperpflege wie Krallen schneiden, Fell entfilzen, Ohren reinigen etc. entspannt aushalten zu können.

Negative Strafe nutzen wir tatsächlich noch sehr viel häufiger und zwar jeder*r von uns:
Bestes Beispiel: Wir arbeiten mit Clicker oder Markerwort und belohnen dabei unseren Hund für jedes "richtige", sprich gewünschte Verhalten.
So lange der Hund noch nicht genau weiss, was wir eigentlich von ihm wollen (Er kann ja nicht hellsehen) wird es natürlich immer wieder Fehlversuche geben, die wir dann natürlich nicht belohnen.
Und Zack sind wir in der negativen Strafe, wenn der Hund eine Belohnung erwartet, die ihm (aus unserer Sicht verständlicherweise, aus seiner Sicht total unverständlich) verweigert wird.
Auch nahezu jede Form der Grenzsetzung ist negative Strafe (ggf. sogar positive Strafe): Der Hund möchte sich an eurem Frühstück bedienen und ihr nehmt den Teller weg oder schickt ihn auf seinen Platz? = negative Strafe
Ihr steht auf und drängt den Hund körperlich vom Tisch weg? = positive Strafe

Ihr seht, es ist gar nicht möglich komplett ohne Strafe zu arbeiten. Tatsächlich gehört diese zum Lernen (egal ob Hund oder Mensch) ganz selbstverständlich dazu.
Dennoch sollten wir achtsam damit umgehen, denn Strafe führt immer auch zu Frust und je nachdem wie gut oder schlecht die Frustrationstoleranz eines Individuums gerade ist auch zu vermehrtem Stress. 
Und gerade im Bereich der positiven Strafe können wir sehr schnell Schäden anrichten die nur schwer wieder gut zu machen sind.